Unvergessen: Matthias Grothe

Unter der Decke der Ischelandhalle hängen drei Trikots. Eines davon erinnert an Matthias Grothe, der am 31. Oktober 2017 viel zu früh von uns gegangen ist. Was für ein besonderer Mensch er war, erkannte einst auch das gute alte „Basketball Magazin“ welches ihm zu Ehren eine Story abdruckte, deren Titel den Ursprung jenes Spitznamen darstellt, der bis heute nachhallt…

Grothzilla

Erinnern wir uns nicht alle noch an die Eröffnungssequenz der Godzilla-Verfilmung aus dem Jahre 1998? Ein alter Mann liegt in einem Krankenhaus-Bett, die Augen weit aufgerissen, sein ganzer Körper zittert und schaudert. „Godzilla, Godzilla,…“ stammelt er. Ein riesiges Ungeheuer ist nach seinem Dornröschenschlaf aufgewacht und zerstört in der Folge halb Manhattan. Das behäbig wirkende Tier lässt sich nicht aufhalten, zu schnell, zu ausgefuchst entzieht es sich den Jägern. Wie der Mann im Hospital mögen sich oftmals die Gegenspieler des Matthias Grothe fühlen, wenn dieser nach vierzig Minuten einmal mehr bewiesen hat, dass es nicht zwingend einen Adoniskörper braucht, um erfolgreich Basketball zu spielen.

Wer Matthias Grothe das erste Mal beim Betreten der Halle erblickt, mag denken, der Busfahrer des Tus Poco Iserlohn habe sich verlaufen. Weit gefehlt, auch wenn der 25-jährige Grothe nicht wirklich wie eine Sportskanone aussieht, ist er definitiv einer der besten Spieler der 2. Bundesliga Nord. Ausgestattet mit der Statur eines Lumberjacks, weiß der Zwei-Meter-Mann seine Masse geschickt einzusetzen. Seine Motivation und ein schier unbändiger Einsatzwille bescherten ihm zwischen 1997 und 2002 einen Platz bei Brandt Hagen. Aber mehr als eine knappe Viertelstunde Einsatzzeit und durchschnittlich drei Punkte waren nicht drin. In seiner vorletzten Saison für Brandt zeigte er in der Relegation mit acht Zählern pro Partie, welch Potenzial in ihm steckt.

Noch ein Jahr verbrachte Grothe mehr auf der Bank als spielend in Hagen und saß sich den Hintern platt. Vor der letzten Saison kam der Wechsel nach Iserlohn. Eine Entscheidung, die sich für Grothe und seinen Verein nachhaltig rentieren sollte. Unter der Führung von Coach Paris Konstantinidis konnte Grothe endlich zeigen, wozu er imstande ist. Von den meisten Mannschaften schlichtweg unterschätzt, hatte er plötzlich viel Raum, um sich zu entfalten. Raum, den er mit 22,6 PpS ausfüllte. Ein neuer Star war geboren. Star? Wohl eher Antistar, wird Grothe mit seinem doch unkonventionellen Stil in den Zweitligahallen meist mehr gehasst denn geliebt. Ruppiges Verhalten unter dem Korb kommt ihm entgegen, da fühlt er sich wohl. Aber auch aus der Mitteldistanz stellt er eine Gefahr dar. Kein leichtes Los für die Verteidigung, die sich in der laufenden Saison noch mehr um „BigMac“ kümmern muss. Nach dem Weggang von Chris Rojik und Oliver Herkelmann liegt die Last der Verantwortung fast allein auf Grothes Schultern. Erst kurz vor Saisonbeginn konnte mit dem Amerikaner David Capers für ein wenig Entlastung gesorgt werden.

Natürlich sind die Verteidiger dieses Jahr besser auf ihn eingestimmt und beschatten jede seiner Bewegungen genau. Dennoch verbucht der Vater einer 15-monatigen Tochter regelmäßig fast 30 Zähler auf seinem Konto – auch in Assists (3,8) und Rebounds (9,3) ist er Teambester. Das Verwunderliche an der ganzen Sache ist, dass in Iserlohn derzeit kaum ein Gedanke an professionelles Training verschwendet wird. „Wir haben nur einen Vollprofi im Team, viele Spieler haben bereits acht oder neun Stunden gearbeitet, wenn sie abends in der Hale auflaufen“, so Poco-Coach Konstantinidis. Von daher sei derzeit an ein anderes Ziel als den Klassenerhalt gar nicht zu denken.

In einer solchen Situation ist es ein großer Bonus „einen Spieler wie Matthias zu haben“. Konstantinidis weiter: „Er stammt aus dem hervorragenden 78er-Jahrgang, wurde während der Jahre in Hagen aber leider nicht weiter gefördert.“ Jahrgang 1978, auch Dirk Nowitzkis Klasse. Beide spielten sechs Jahre zusammen in der Junioren-Nationalmannschaft „Bis zur U22 waren wir bei den ganzen Lehrgängen und Turnieren“, erinnert sich Grothe. Ob er je wieder in die BBL zurückkehrt, kann er nicht klar sagen. Schließlich habe er neben Basketball noch Familie, und auch seine Firma TCT Granit verschlingt viel Zeit.

„Er ist ein großartiger Allrounder“, weiß Chris Rojik. „Er macht all die Dinge, die dem Team helfen.“ Und auch in der BBL würde er ihm einiges zutrauen. Grothe sei für den sehr geringen Trainingsaufwand „in sehr guter Verfassung.“ Bei der derzeitigen Lage der Dinge ist an ein Engagement in Kreisen der BBL kaum zu denken. Grothe war schon immer ein Fan des amerikanisch geprägten Basketballs, würde nur unter der Garantie auf zehn bis 20 Minuten Spielzeit in die Liga zurückkehren – natürlich nur nach Absprache mit seiner Frau. Und so hat der Familienvater eine Menge Spaß auf dem Parkett, sonst würde er sich dieser Zusatzbelastung nicht aussetzen.

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