Es ist Juli. Es ist brütend heiß. Es ist so dermaßen heiß, dass nach wenigen Tagen das angelieferte Wasser aufgebraucht ist und nur noch Bionade übrig bleibt, um den Durst zu stillen. Es ist eine dieser Erinnerungen, die niemals erlischt, denn das vermeintliche Erfrischungsgetränk wird zum aufgewärmten, zuckrig-klebrigen Begleiter während der U17-Weltmeisterschaft, die im Sommer 2010 in Hamburg ausgetragen wird. An der Waterkant versammeln sich die besten Talente aus aller Welt, um sich miteinander zu messen. Um einen Titel zu spielen. Um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Um einen Vorgeschmack darauf zu geben, was aus dieser Generation der 1993 oder später Geborenen einmal werden mag.
Und so kommt es, dass die später an Nummer Eins der NBA Draft gezogenen Andrew Wiggins und Anthony Bennet (Kanada) oder auch Alex Suarez und Dani Diez (Spanien) es mit dem aus dem beschaulichen Breckerfeld stammenden Fabian Bleck zu tun bekommen. Der gegen die weltweit Beobachtung findenden Talente alles reinwirft, was er zu bieten hat. Und so dazu beiträgt, dass die DBB-Truppe gegen die Nordamerikaner mit 69:68) und die Iberer mit 74:64 die Oberhand behält. Während seinen Gegenspielern das Potential aus allen Poren quoll, blieb für das öffentliche Auge nahezu verborgen, dass Bleck eine beeindruckende und langlebige Profikarriere würde hinlegen können. Eine, die sich in Form von 373 Erstligaspielen, elf Pokal-Partien und internationalen Einsätzen ausdrücken lässt. Doch Zahlen werden dem, wofür der Forward steht – lies: seinem eingeschlagenen Weg – lange nicht gerecht.
Ich hab alles was ich brauch’
„In der Jugend war er bereits ein großer, robuster Spieler, der unheimlich viel Fokus und Leidenschaft mitbrachte“, erinnert sich Frank Menz, der ab 2008 für den DBB im Nachwuchsbereich tätig ist und durch zahlreiche Sichtungsmaßnahmen früh mit Bleck arbeitet. „Er war in jungen Jahren eher introvertiert, vom Kopf her allerdings bereits sehr reif. Das hat sich vor allem darin gezeigt, wie er verteidigte und das, was sein Sklillset mitbrachte, für die Mannschaft einsetzte.“ Gepaart mit einer hohen Verlässlichkeit erarbeitete Bleck sich während der Sommermonate regelmäßig Nominierungen, um als Adlerträger bei diversen Turnieren aufzulaufen. Menz: „Damals war schon erkennbar, dass ihn für eine Mannschaft so wertvoll macht. Er nimmt positiven Einfluss aufs Spiel, ohne den Statistikzettel mit riesigen Zahlen füllen zu müssen.“
Es ist die Gabe, das – so will es eine alte Weisheit – umperfekte Spiel so zu lesen und danach zu handeln, dass ihm selbst möglichst wenig Fehler unterlaufen. Unnötige Drives wird es nicht geben. Würfe aus dem Dribbling heraus gegen den Mann gibt es höchstens bei herunterblickender Wurfuhr. Ein Cut in den offenen Raum wird nicht unterbrochen, weil die Verteidigung rotiert. Es ist die Art glanzlosen, unprätentiösen, selbstlosen Basketballs, die Puristen das Herz erwärmt. Und Coaches aufhorchen lässt.
So ist es spannend, dass die Menschen Beobachtungen aus der Zeit, als Bleck vom Jugendspieler zum Mann reift, sich mit dem decken, an das Chris Harris sich erinnert. Der Phoenix-Headcoach arbeitet zwischen 2015 und 2018 in Bremerhaven mit dem Forward zusammen. Genau in der Phase, in welcher der 2,01-Kerl sich als Bundesliga-Profi etabliert. „Damals ließ sich schön erkennen, wie Fabi in seinen Körper reingewachsen ist und physisch nochmals ordentlich zugelegt hat“, berichtet Harris. „Bei alldem hat er aber nie seine Schnelligkeit und Beweglichkeit verloren, weswegen er für die gegnerische Offense kaum als Schwachstelle attackiert wurde. Was er aber schon immer mitgebracht hat, ist eine wahnsinnig ausgeprägte Auffassungsgabe. Seine basketballerische CPU arbeitet mit absoluter Turbo-Geschwindigkeit.“
Das, was ich tu’ / Kühlschrank auf und wieder zu
Es ist diese eine Szene aus Spiel fünf der Halbfinalserie zwischen Würzburg und Ulm. Bleck geht an die Freiwurflinie. Vergibt den Ersten. Vergibt den Zweiten. Doch anstatt dem eigenen Fehlversuch nachzugehen, ein unnötiges Foul zu riskieren oder gar überspielt zu werden, orientiert er sich sofort nach hinten. Und nimmt keine drei Sekunden später in der eigenen Zone das Offensiv-Foul an. „Ich versuche immer aufmerksam zu sein“, versucht sich Bleck an einer simplifizierten Umschreibung dessen, was oftmals als Intuition oder Gefühl fürs Spiel abgetan wird. Doch ist es mehr. Es ist die Verarbeitung und Kombination vieler sich bewegender Teilchen auf dem Feld sowie Übertragung der zweidimensionalen, auf ein Taktikbrett gemalten Informationen in den offenen Raum. „Seine Sinne sind so geschärft, dass er sich an beiden Enden des Feldes so positionieren kann, um für das eigene Team einen Vorteil zu generieren und den Gegner gleichzeitig vor eine Entscheidung zu stellen.“ Ohne dabei aus den bewährten Mustern auszubrechen, selbst wenn sich situativ vielleicht eine Gelegenheit dazu bieten würde. Doch der Konjunktiv findet in Blecks basketballerischem Werkzeugkasten keinen Platz.
Es gibt sicher Spieler in der Liga, die eine vollere Toolbox mitbringen. Doch greift an dieser Stelle die alte Handwerker-Weisheit: Kaufste billig, kaufste doppelt. Was immer sich in Blecks Repertoire befindet, ist von Premium-Qualität. Erprobt und bewährt in fast 400 Spielen auf höchstem nationalen Niveau. Hat Stresstests wie ein Pokalfinale oder das Bubble-Turnier in München während der Corona-Pandemie überstanden. Aber auch Abstiege mit Bremerhaven und Crailsheim erlebt. „Das sind Saisons, die wirklich kräftezehrend waren“, erinnert Bleck sich. Was allerdings nie dazu führte, dass er an sich als Profi oder als Person zweifelte. „Ich habe früh gelernt, an mich und meine Fähigkeiten zu glauben.“ Kontrolliere, was du kontrollieren kannst. Die Tatsache, dass er im Sommer 2024 ein Angebot aus Würzburg erhielt, spricht genau dafür. Dass seine Werkzeuge benötigt werden, um zum großen Ganzen beizutragen und den Laden beisammen zu halten. „Das Jahr mit den Baskets war speziell. Auch wenn es hinten raus durch die Playoffs unheimlich anspruchsvoll wurde, konnte ich das alles sehr genießen.“
So als ob ich ein’ Fensterplatz hätt’
Am Donnerstag, den 12.06.2025, um 21:53 Uhr ist die Saison für Würzburg vorbei. Nach einem fantastischen Playoff-Run, in dem die Franken zunächst Braunschweig rauskegeln und im Halbfinale auch Ulm über die volle Distanz von fünf Spielen fordern. Während der Postseason immer als Starter von Beginn an auf dem Parkett: Fabian Bleck. Der Veteran erfüllt dabei eine spezielle Rolle, die Coach Sasa Filipovski für den gebürtigen Breckerfelder vorgesehen hat. Er muss gegen Sananda Fru sowie den athletischen Noa Essengue ran. Doch geht es um weitaus mehr, als nur den Wirkungskreis des besten Nachwuchsspielers der Spielzeit 2024/2025 oder des französischen NBA Prospects einzuengen. Blecks erste Minuten auf dem Parkett geben Hannes Steinbach, Sohn von Würzburg-Legende Burkhard Steinbach, die Chance das Geschehen zunächst von der Bank aus zu beobachten, ehe dieser eingewechselt wird und gut akklimatisiert zur Tat schreitet. Er legt den Grundstein, auf den der Youngster später treten kann, ohne im Haifischbecken BBL unterzugehen.
Genau diese stabilisierenden Fähigkeiten werden Phoenix in den kommenden zwei Jahren gut zu Gesicht stehen. Wenngleich auf Blecks Schultern in der ProA deutlich mehr Verantwortung lasten wird. „Er kann beide Forward-Positionen spielen und auch als Small Ball-Fünfer eingesetzt werden“, gibt Harris einen kleinen Einblick in bereits angeschobene taktische Gedankenspiele, und ergänzt: „Seine Toughness wird uns gut tun.“ Gleichzeitig ist der Schritt in eine andere Liga nach über einem Jahrzehnt auf BBL-Level auch ein Wagnis. Eine Herausforderung. Neuer Input für Blecks CPU, den es durchzurechnen und zu verarbeiten gilt. „Die Bigs sind oft größer und schwerer, dafür ist das Tempo in der ProA nicht so hoch“, konstatiert der Berckerfelder. Was garantiert nicht dazu führt, dass er sich wie noch vor 15 Jahren für höhere Aufgaben empfehlen muss. Stattdessen in einer neuen Rolle den Werkzeugkoffer aufklappt, um am Phoenix-Konstrukt mit zu schrauben. Zu stabilisieren. Pfeiler in den Boden zu treiben, an die sich sein Umfeld klammern kann. Und vielleicht befindet sich neben Schraubenschlüssel und Ratsche noch eine Bionade, um das bevorstehende Kapitel bei all der anstehenden Arbeit dennoch genießen zu können. Am liebsten ordentlich gekühlt. Neue Erinnerungen schaffend.